Lola rennt

Ein Kurzurlaub stand an.

Zu Weihnachten hat mir meine Frau ein verlängertes Wochenende in einem Wellnesshotel geschenkt. Lola war erst seit ein paar Wochen bei uns und so musste die Frage geklärt werden, ob dort überhaupt Hunde erwünscht sind. Ohne sie wollten wir ja auch nicht fahren. Aber nach einem kurzen und netten Gespräch  mit einer Hotelmitarbeiterin waren unsere Bedenken weg gewischt, alles kein Problem.

Es ging also gen Norden, nach Varel. Ein tolles Hotel, ruhig und direkt am Wald gelegen mit einem kleinen See vor der Tür, wirklich idyllisch.

Die Fahrt dorthin hat Lola absolut problemlos über sich ergehen lassen. Sie fährt sehr gerne Auto, im Gegensatz zu anderen Hunden. Eine Bekannte von uns hat einen Hund, der sich bei Geschwindigkeiten jenseits der 100km/h übergeben muss. Dementsprechend ist der Hund auch nicht besonders begeistert, wenn er ins Auto soll. Und 3 Hunde ins Auto zu verfrachten, wobei 2 mehr oder weniger gerne Autofahren, ist dann schon eine Geduldsfrage.
Lola ist da ganz anders. Sie freut sich sogar auf das Autofahren, springt ins Auto und kuschelt sich dann in eine Ecke und schläft.

Auch im Hotel hat sie sich von der besten Galgo-Seite gezeigt. Beim Essen haben wir sie im Zimmer gelassen. Erst hat Lola etwas blöde drein geschaut, aber dann hat sie uns ohne Murren ziehen lassen und lag bei unserer Rückkehr immer noch auf dem Sofa in ihre Decke gemümmelt. Morgens gab es sowieso kein Problem, so „früh“ am Morgen aufstehen ist nicht so ihr Ding. Wie es sich für eine Latina gehört, beginnt der Morgen wesentlich später, als wir nordischen Zweibeiner es gewöhnt sind.

Wir sind dann erst einmal nach Dangast, weil das der nächste Ort war mit einem Hundestrand (ca. 15min).
Ein Parkplatz war schnell gefunden und dann die Überraschung: der Hundestrand war gerade mal 100m breit, also eher was für Yorkshire oder Minipudel.  Und selbst da wird es eng, wenn die Flut kommt. Das war ja wohl nichts.
Okay, einen eingeborenen Freund angerufen und um Rat gefragt. Weiter ging es nach Schillig. Das war schon etwas anderes. Großer Hundestrand, aber leider Leinenzwang und das außerhalb der Saison :( 
Hmmh, so etwas gibt es wohl nur in Deutschland.
Es war nach 18:00Uhr und keine Menschenseele weit und breit. Irgendwann haben wir uns dann ein Herz gefasst und den Leinenzwang ignoriert.
Was mir mehr Sorge bereitete, als die deutsche Obrigkeit, war Lola überhaupt von der Leine zu lassen. Wie würde sie reagieren? Andere Windhundebesitzer haben uns erzählt, dass das am Strand kein Problem sei und ihre Hunde immer in Sichtweite bleiben. Also, Leinen los…

Erst ist Lola noch etwas unsicher um uns herum gewuselt, hat hier und da geschnüffelt und das leinenlose Leben genossen. Irgendwann stand am Strand ein Schild "Möwen 5km". Lola hat es natürlich gesehen und ist mit Volldampf ins Wattenmeer hinaus geballert. Und wenn ich sage Volldampf, dann meine ich mit Galgo-Volldampf. Die Geschwindigkeit war atemberaubend. Okay, dass mit dem Hinterherlaufen und wieder Einfangen hatte sich wohl erledigt.
Wir haben sie kurz darauf nicht mehr gesehen, nur noch einen kleinen weißen Gischtstreifen. Daran konnte man sich wenigstens orientieren.
Der Richtung nach zu urteilen hatte sie wohl vor, einen kurzen Abstecher nach Dänemark zu unternehmen, musste aber erkennen, dass einfach noch zuviel Wasser zwischen hier und da zu überwinden wäre.
Vielleicht war sie einfach auch nur glücklich endlich mal wieder ohne Leine die Freiheit auszukosten.
Nach einiger Zeit hat sie ihre Richtung dann geändert und kam wieder mit unvermittelter Geschwindigkeit gen Strand zurück geschossen.
Puh, Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, welcher Ruck der Erleichterung mein Herz durchzuckte.

Ihr Orientierungsvermögen war schon  nicht schlecht, aber so schwer war das ja auch nicht. Wasser auf der einen, Land auf der anderen Seite. Und Wasser mögen Galgos nun einmal gar nicht.

Es ging also mit Hochgeschwindigkeit zurück, zwar nicht zu uns, aber dafür wurde ein Pärchen beglückt, welches Lola wahrscheinlich aus der Entfernung, als ihre Adoptiveltern identifiziert hat. Bei der Geschwindigkeit sei ihr das verziehen.
Sie hat recht schnell geschnallt, dass das andere Pärchen wahrscheinlich nur Trockenfutter füttert und ist zu den beiden wild fuchtelnden Idioten, einer mit "Flöte" im Mund weitergezogen, allerdings etwas gemächlicher. Danach hat sich unsere Starfighterin zur Freude meiner Frau erst einmal ausgiebig geschüttelt. Und wessen Hund schon einmal durchs Watt geballert ist, der weiß, dass nach so einer Aktion eine hellgrüne Jacke nicht mehr hellgrün ist. Lola und Jacke sahen aus wie Sau, frisch aus der Suhle und hat auch genauso gestunken.
Vorher war sie mal gestromt und hatte weiße „Socken“. Davon war nun nichts mehr zu erkennen.

Wir haben uns dann auf den Rückweg zum Auto gemacht und sie dann nach ein paar Minuten noch einmal kurz von der Leine gelassen. Sie hatte sich ja jetzt ausgetobt und sollte nun brav bei uns bleiben. So etwas machen doch Hunde, oder? Aber nicht eine neugierige Galga, überglücklich ohne Leine zu laufen.
Lola ist direkt und ohne Umweg über den Dünenkamm, aber der Kopf kam immer wieder zur Kontrolle hoch. Na ja, zumindest 2-3 Mal. Wir haben uns dann gesagt, okay, wir warten hier jetzt, bis sie wieder zurück kommt, aber es ist natürlich nicht passiert. Das zum Thema "Theorie und Praxis".
Also habe ich mich auf die Suche gemacht und sie direkt hinter der Düne in einem Kaninchenbau entdeckt. Wie ein Känguru ist sie zwischen den 3 Löchern hin und her gesprungen und hat gebuddelt, als ginge es um den Schatz der Lutine.
Ich habe Lola gerufen, sie hat kurz in meine Richtung geschaut, war aber nicht allzu beeindruckt und hat sich bei ihrer Arbeit nicht weiter beirren lassen.
Als dann auch nach dem 27-Mal "Lola"-rufen, mit Pfeifen, Trampeln und was man sonst noch so aufbieten kann, nichts geschehen ist (irgendwie erinnerte mich das Ganze an Atze Schröders „Kevin - Die Mama ist gleich weg..") bin ich dann langsam zu ihr hin, um sie nicht aufzuschrecken. Aber sie war so auf ihre Arbeit versessen, dass ich sie einfach an die Leine nehmen konnte.
Nach weiteren 5 Minuten kurz vor dem Ausgang musste ich den mitleidigen Blicken meiner Frau "Och lass sie doch noch mal laufen" nachgegeben, aber nur nach Gezeter meinerseits und unter der Bedingung, dass Lisa sie dieses Mal zurück holt.
Gut, Lola wieder losgelassen und sie ist einfach neben uns getrottet!
Ungefähr 3 m weit und dann mit Vollgas über die Dünen in ein Riesenmoddergestrüpp-Gebüsch. ca. 200*200m in der Ausdehnung.
Oh nein, ich bin auch echt so blöd, ging es mir durch den Kopf. Und aus dem Deal mit meiner Frau wurde natürlich auch nichts ;)
Lisa ist an der einen Seite des Gebüschs stehengeblieben, um sie eventuell am Ausgang abzufangen. Ich bin mit meinen nigel-nagel-neuen Sneakers ab ins Gebüsch und stand nach 2m knöcheltief im Morast. Nach 5 Minuten habe ich sie dann endlich gefunden. Schwanzwedelnd kam sie aus einem Gebüsch und lief mir ganz aufgeregt in die Arme, allerdings eher aus Zufall. 
In der Zwischenzeit ist ein riesiges fettes Karnickel gemächlichen Schrittes auf Lisas Seite aus dem Gebüsch gehoppelt.
An der Leine waren die letzten Meter bis zum Auto natürlich blöd, zumal überall  versteckte Kaninchen lauerten.
Am Auto angekommen schaute unser Hund uns ganz blöd an, als wir die Heckklappe öffneten. Ich konnte Ihre Gedanken lesen: „Warum sollte ich denn in der Kofferraum? Und dann noch ohne Kuscheldecke. Dabei war ich doch so fleißig“.
Im Hotel angekommen, haben wir uns bemüht, so schnell wie möglich mit unserem stinkenden Vierbeiner ins Zimmer zu kommen.
Ich bin sofort mit ihr ins Bad und habe mich mit ihr in der Dusche eingesperrt. So richtige Freude kam beim Duschen nicht auf, aber sie hat zumindest still gehalten.
Unser Afghane hätte das ganze Hotel zusammengeschrien, nach dem er die noch Dusche zerlegt hätte. Für ihn war Wasser gleichzusetzen mit Folter.
Lola war jedenfalls sauber und hat vor allen Dingen auch nicht mehr nach fauligem Schlamm gerochen. Wenn ich heute daran denke, steigt in mir dieser fiese Geruch auf.
In der Nacht hat sie mich um 4.00 Uhr aus dem Bett gescheucht, weil sie raus musste. Es war aber meine Schuld, wir waren zwar bis 19:00 Uhr mit ihr unterwegs, aber das hat wohl nicht gereicht. Wahrscheinlich war sie auch viel zu aufgeregt um zwischendurch zu pinkeln. Nach unserer kurzen Runde im Schlafanzugoberteil bin ich nicht wieder ins Hotel rein gekommen, weil alle Türen verschlossen waren. Also auf zur Rezeption, die natürlich nicht besetzt war. Meine Frau hatte ihr Handy natürlich ausgeschaltet. Murphy's Law...
Irgendwie war ich zu müde, um der Verzweiflung zu gestatten in mir aufzusteigen.

Das war auch total süß, wir standen verloren vor dem Haupteingang und ich habe geklingelt und dann gewartet, dass jemand sich bequemt uns zu öffnen. Nach 2-3 Minuten hat Lola mich mit der Nase zweimal hintereinander angestubst. So nach dem Motto, komm lass gehen, da ist keiner, siehste doch.
Irgendwann ist mir dann glücklicherweise der Portier, der gerade seine Wachrunde gemacht hat, über den Weg gelaufen.
Gegen 6:00Uhr hat Lola sich erdreistet einen Ausflug (natürlich nur zu Testzwecken) in mein Bett zu unternehmen. Völlig gerädert, mit Kopfschmerzen war ich zu keiner Gegenwehr bereit. Lisa schon, aber die hat sich gedacht, dass es nicht ihr Bett ist. Zum Glück blieb sie am Fußende und hat sich aber auch irgendwann wieder verzogen.

Der Samstag war dann beschaulicher. Lola hatte einen fetten Muskelkater, bzw. habe ich das so gedeutet, weil unsere Kleine keinerlei Anzeichen machte irgendetwas unternehmen zu wollen. Lisa hat "ge-wellness-t" und wir haben uns dann etwas im Wald herumgetrieben und dann geschlafen.

Sonntags waren wir dann in Neßmersiel zu einem kleinen Hundestrand, aber egal. Diesmal mit Leine, war eh Leinenzwang. Wir haben uns auf jeden Fall noch einen schönen Tag gemacht, uns noch die anderen Siele im Kurzdurchlauf (fahrt) angeschaut, um vielleicht "DEN" Hundestrand zu finden, aber so etwas gibt es leider nicht an der deutschen Nordsee.

Noch ein kleiner Nachtrag. Am Tag nach Lolas Expedition ins Wattenmeer haben wir in dem Wäldchen zwei riesige Doggen kennen gelernt. Ich wirklich noch nie so große und vor allem bullige Doggen gesehen. Wir haben uns mit den „Hundeeltern“ unterhalten und ihnen die Geschichte von unserer Düsenjägerin erzählt. Das fanden die beiden höchst unterhaltsam und haben ihre Geschichte zum Besten gegeben. Sie hatten nämlich das gleiche Erlebnis hinter sich, nur das ihre Hunde „etwas“ schwerer als unsere Lola waren und nicht ganz so schnell übers Watt gefegt sind, sondern nach einigen Metern einfach stecken geblieben sind. Und nicht nur ihre Hunde waren voller Schlamm, sondern auch sie selbst, weil die Doggen sich schlichtweg geweigert haben, sich auch nur einen Schritt aus der Suhle zu bewegen.